Ärztliche Unabhängigkeit in Gefahr: Zielvereinbarungen in Anstellungsverträgen
Berichte über Ärzte, die per Bonusvertrag dazu angehalten werden, häufiger zu operieren, sind nicht erst seit gestern bekannt. In immer mehr Arbeitsverträgen sind Bonusverträge zwischen Krankenhaus und Chef- und Fachärzten enthalten. Die in den Verträgen vereinbarten Boni garantieren Ärzten Prämien für bestimmte Mengenumsetzungen, unter anderem die Menge bestimmter durchgeführter OPs. Wie die Bundesärztekammer (BÄK) aufdeckte, steigt die Anzahl der Bonus-Verträge schon seit 1995 dramatisch an. Während im Jahr 1995 knappe fünf Prozent der Anstellungsverträge Zielvereinbarungen mit Boni enthielten, waren es im Jahr 2011 bereits ganze 45 Prozent.1
Die Praxis der Bonusverträge lässt bei bestimmten Operationen ökonomische Fehlanreize entstehen, v.a. in der Orthopädie (Wirbelsäule, Knie), aber auch bei Herz-Operationen. Schon 2007 forderten die Berufsordnungsgremien der BÄK in der Studie „Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit – Umgang mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens (2008)“, dass „bei allen ärztlichen Entscheidungen die Unabhängigkeit des Arztes gewahrt bleiben“ solle.1 Da Zielvereinbarungsverträge weiterhin Gang und Gebe sind, sprach die BÄK in Kooperation mit der deutschen Krankenhausgesellschaft im Mai 2013 erneut eine Empfehlung aus. Auf Grundlage des § 137 Sozialgesetzbuchs (SGB V) soll jedes Krankenhaus in seinem strukturierten Qualitätsbericht eine Erklärung darüber nachweisen, ob es bei Verträgen mit leitenden Ärzten Bonusverträge gibt. So sollen Zielvereinbarungen, die auf finanzielle Anreize abzielen, ausgeschlossen werden.
Quellen
1 Deutsches Ärzteblatt (2007): Bekanntgaben der Herausgeber: Bundesärztekammer – Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit Umgang mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Hinweise und Erläuterungen beschlossen von den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer am 2. April 2007. Online: http://www.aerzteblatt.de/archiv/55880/Wahrung-der-aerztlichen-Unabhaengigkeit-Umgang-mit-der-Oekonomisierung-des-Gesundheitswesens-Hinweise-und-Erlaeuterungen-beschlossen-von-den-Berufsordnungsgremien-der-Bundesaerztekammer-am-2-April-200 (zuletzt abgerufen: 14.05.2013)